I. Hintergrund und Rechtsgrundlage

Die Plattform für Online-Streitbeilegung der Europäischen Kommission („ODR-Plattform“) wird zum 20. Juli 2025endgültig abgeschaltet. Die bisherige Rechtsgrundlage, die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten („ODR-Verordnung“), wird durch Verordnung (EU) 2024/3228 aufgehoben.

Bereits ab dem 20. März 2025 können keine neuen Beschwerden mehr über die Plattform eingereicht werden (vgl. Art. 2 Abs. 1 VO (EU) 2024/3228).


II. Ziel und tatsächliche Nutzung

Zweck der ODR-Plattform war es, gemäß Art. 1 ODR-VO, Verbraucherinnen und Verbrauchern eine niedrigschwellige Möglichkeit zu bieten, Streitigkeiten mit Onlinehändlern außergerichtlich beizulegen. In der Praxis blieb das Angebot jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurück:

  • Nur ca. 2 % der eingereichten Beschwerden führten zur Teilnahme der Händler am ADR-Verfahren (vgl. Erwägungsgrund 4 VO (EU) 2024/3228).

  • Die Plattform wurde zwar jährlich millionenfach aufgerufen, tatsächlich genutzt aber nur für ca. 30.000 Beschwerden EU-weit pro Jahr.


III. Verlinkungspflicht nach Art. 14 ODR-VO und deren Folgen

Gemäß Art. 14 Abs. 1 ODR-VO waren Unternehmer, die Online-Kauf- oder Dienstleistungsverträge mit Verbrauchern schlossen, verpflichtet, auf ihren Websites einen „leicht zugänglichen Link zur ODR-Plattform“ bereitzustellen – einschließlich E-Mail-Adresse und einem Hinweis auf die Existenz der Plattform.

Diese Pflicht führte in der Praxis zu:

  • hoher Unsicherheit bei der Formulierung und Platzierung,

  • wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen bei (vermeintlichen) Verstößen,

  • einem Missverhältnis zwischen Pflichterfüllung und tatsächlichem Nutzen.


IV. Wegfall der Verpflichtung zum 20. Juli 2025

Mit dem Außerkrafttreten der ODR-VO zum 20. Juli 2025 entfällt auch die Verpflichtung nach Art. 14 ODR-VO. Für Unternehmen bedeutet das konkret:

  • Die Pflicht zur Verlinkung auf die ODR-Plattform besteht bis einschließlich 19. Juli 2025 fort.

  • Ab dem 20. Juli 2025 sollten entsprechende Hinweise unverzüglich entfernt werden, z. B. aus:

    • dem Impressum,

    • der Datenschutzerklärung,

    • Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB),

    • automatisierten E-Mail-Signaturen und Standardkommunikation.

Ein unterbliebener Hinweis nach dem 20. Juli ist nicht mehr abmahnfähig, ein überflüssiger Hinweis hingegen kann zu Intransparenz und unnötiger Rechtsunsicherheit führen.


V. Datenschutzrechtliche Aspekte

Die ODR-Plattform verarbeitete personenbezogene Daten im Rahmen von Beschwerdeverfahren, u. a. Namen, E-Mail-Adressen und Streitgegenstände. Mit der Einstellung des Dienstes gehen folgende Pflichten bzw. Vorgänge einher:

1. Löschungspflicht

Die EU-Kommission wird gemäß Art. 17 DSGVO sämtliche personenbezogenen Daten, die über die ODR-Plattform verarbeitet wurden, spätestens zum 20. Juli 2025 vollständig löschen (vgl. Art. 3 VO (EU) 2024/3228).

2. Datenexport für Betroffene

Bis zum 19. Juli 2025 können Betroffene (Verbraucher oder Händler) ihre Daten aus dem System sichern. Die Kontaktaufnahme ist über die offizielle Adresse der Kommission möglich:
📧 JUST-EC-ODR-REPEAL@ec.europa.eu

3. Datenschutzerklärung anpassen

Ab dem 20. Juli 2025 ist der Hinweis auf die ODR-Plattform auch in Datenschutzerklärungen entbehrlich. Unternehmen sollten die Passage:

  • zur Rechtsgrundlage der Verarbeitung im Zusammenhang mit der ODR-Plattform,

  • zum Zweck der Weiterleitung oder Verlinkung,

  • sowie die Nennung des Links

vollständig aus der Datenschutzerklärung entfernen.


VI. Ausblick: Digitale Streitbeilegung neu gedacht

Gemäß den Zielsetzungen der EU soll das Thema Online-Streitbeilegung künftig neu und moderner aufgestellt werden. Vorgesehen sind:

  • digitale Informationshilfen für Verbraucher zur Orientierung im Beschwerdeverfahren,

  • Stärkung der Europäischen Verbraucherzentren (ECC-Net),

  • mögliche Integration von KI-basierten Tools zur Unterstützung der Kommunikation und Fallbearbeitung.

Diese Lösungen sollen effektiver, nutzerfreundlicher und zielgerichteter sein als das bisherige ODR-Modell.


VII. Fazit und Handlungsempfehlung

Mit dem Ende der ODR-Plattform endet auch eine aus rechtlicher Sicht häufig kritisierte Pflicht. Unternehmen sollten jetzt:

  1. Hinweistexte rechtzeitig identifizieren (Impressum, AGB, Datenschutzerklärung etc.),

  2. zum 20. Juli 2025 automatisiert entfernen oder anpassen,

  3. intern dokumentieren, dass die Pflicht erloschen ist (z. B. in der Datenschutzfolgeabschätzung oder Compliance-Checkliste),

  4. ggf. offene ODR-Fälle dokumentieren oder Daten sichern,

  5. die Datenschutzerklärung aktualisieren, idealerweise mit Änderungsvermerk.

Die Abschaltung der ODR-Plattform bietet Gelegenheit, die eigenen Informationspflichten zu bereinigen und sich auf künftig bessere – digital unterstützte – Wege der Verbraucherkommunikation einzustellen.


Autorin des Beitrags

Anahita Lotfi
▪️Juristin
▪️Externe Datenschutzbeauftragte
▪️Fachexpertin auf dem Gebiet der Cyberkriminalität und KI
▪️Unternehmensberaterin für StartUp & KMU
▪️Gründerin von LEXAL LAW \ CONSULTINGS


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